Schwäbische, 15. Juli 2020

Friedrichshafen

 

 Zu Bild gewordene Botschaften des Gehens

 Von Gudrun Schäfer-Burmeister

 

Eine sehr persönliche Ausstellung hat die Künstlerin Christine Koch für die Galerie-Räume im Kunsthaus Fallenbrunnen erarbeitet. Sie trägt den Titel „go ahead – erlaubnis.“ Und sehr persönlich fiel auch die Eröffnung am Samstag aus. Die Corona-Pandemie verhinderte die für den Vorabend geplante publikumsreiche Vernissage, sodass die Skulpturen und Bilder ohne prickelnden Sekt und lobend erklärende Einführungsworte ganz für sich selbst sprechen durften.

 

Begleitet wurden sie von der Künstlerin persönlich, die sich im offenen Dialog den Fragen und Assoziationen der nacheinander hereintröpfelnden Besucher widmete. Koch kommt ursprünglich aus Irsee im Allgäu, von wo sie einen mächtigen Ahornstamm mitgebracht hat. Der Nachbarbauer hatte den Baum umgehauen, der sei doch zu schade zum Verheizen, äußerte sich die Bildhauerin, worauf der Nachbar meinte: „Den wirf i dir vor die Tür.“ Mit der Kettensäge gestaltete die Holzkünstlerin daraus „Wächterinnen“, deren Unterleib jeweils ein Stück des schwellenden Baum-Unikats bildet, jede mit anderer naturgegebener Struktur und Gestalt und einem aus der Basis emporragenden Balken, der Haltung zeigt. Sie bilden zu sechst einen Kreis, als hielten sie eine Konferenz ab. Besucherinnen nehmen sie als Sitzgelegenheit wahr, die mangelnde Ergonomie gleichen sie aus, indem sie den geraden Rücken loben oder sich selber anpassen. Koch nimmt diese Verwendung freundlich interessiert zur Kenntnis, denn Kunst entsteht nicht nur in der Absicht der Erschafferin, sondern gleichermaßen in der Wahrnehmung der Betrachter, und ihre Bedeutung entsprießt dem Austausch.

 

Innere und äußere Bewegung erforscht die Künstlerin in Schrift, Bild, Zeichen und Objekten. Es geht ihr um „Schritte, die wir uns erlauben, von etwas weg, auf etwas zu, um etwas herum, in etwas hinein“. Neben weiteren Holzarbeiten, deren Blattgoldauflagen ganz besondere Lichteffekte generieren, zeigt Christine Koch von japanischer Zen-Kalligrafie inspirierte Bilder. Die Kompositionen aus schwarzen, sensibel geführten Tusche-Schwüngen mit gelegentlichen roten Akzenten auf Reispapier und Leinen tragen Titel wie „Wenn alle Schritte getan“ oder „Fruchtbares Feld“.

 

Viele Bilder sind mit Texten versehen, die poetisch persönliche Inhalte haben und der Feder automatischen Schreibens entstammen. Sie sind mit linker oder rechter Hand geschrieben, teils spiegelverkehrt oder zwischen Schreib- und Druckschrift alternierend. „Hättest du nicht…“ heißt eines davon, dessen Schriftinhalt so weitergeht: „den Rubin entdeckt, wäre Grün im kalten Bach verronnen“. Das Schriftbild gleicht einem Buchstabenstrom, der in einer Flussbiegung mündet.

 

Für Koch bietet die Galerie in der „Caserne“ einen „super Ort, um zu experimentieren“, die Ausstellung einen „Anlass, begonnene Bilder fertigzumachen, weiterzutreiben“. Innerlich und äußerlich, privat und beruflich-künstlerisch war sie viel und weit unterwegs. Im vergangenen Jahr bezog sie ein neues Atelier im Hegau und einen neuen Wohnort in Seelfingen. Bei diesen Schritten wurde sie von Freunden begleitet, für die sie wärmende, sich anschmiegende, individuell angeformte Filzpantoffeln angefertigt hat. Jetzt bilden diese wollenen Spuren als „Freunde“ ein zentrales Element der Ausstellung. Manche sind noch ungetragen, andere bereits ziemlich durchgelaufen. Klein, groß, schmal, lang scheinen sie Abbilder ihrer Besitzer zu sein. Von der Empore aus erklimmen sie den Raum entlang der Wand. Eine Schriftrolle erstreckt sich davor auf dem Boden. Christine Koch hat eine „kleine Performance mit allem drum und dran“ dazu vorbereitet. Sie wird sie am Sonntag, 19. Juli, um 14 Uhr zeigen.